Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Die Sudmerberger Warte am Sendeturm Goslar
04.10.2023
Heute ist mal wieder „Tag des Enkelkindes“. Als Großeltern eignet man sich offenbar ganz gut, Enkel zu beschäftigen
und den (ach so gestressten) Eltern etwas Freiraum zu verschaffen. Ich für meinen Teil versuche dann, diesen Tag mit
einem Wanderausflug in die nahe Umgebung zu bereichern und, wenn möglich, einen Stempel von einem mir noch
unbekannten Ort einzusammeln. Ein Blick auf die Karte verrät mir so ein verborgenes Plätzchen nahe Goslar.
Am Spielplatz Sudmerbergstrasse schultern wir die Rucksäcke. Wir betreten einen unscheinbaren Pfad und finden uns
nach nur wenigen Schritten in einer völlig anderen Welt wieder. Dichter Laubwald auf einem steilen Berghang, ein
schmaler Trampelpfad schlängelt sich aufwärts. Unser Kleiner, immerhin jetzt Erstklässler, marschiert mutig in den Hang
hinein, zwischen Bäumen hindurch. Niemand, außer mir, ahnt, dass es so eineinhalb Kilometer nur nach oben gehen
wird und dabei mehr als einhundert Meter in die Höhe. Klingt nicht viel, spürt man aber recht schnell in den
Beinmuskeln. Dennoch bleibt genug Zeit, die Schönheit des Herbstwaldes zu entdecken, der den Lärm der Straße weit
unten, ganz allmählich verschluckt und verstummen lässt. Nach einer knappen halben Stunde zwitschern nur noch die
Vögel, ansonsten herrscht Stille.
Ein Waldweg ist erreicht. Auf der Seite gegenüber führt der Trampelpfad weiter in den Wald und auch in den Hang
hinauf. Unser Enkel meldet Schmerzen im Fuß an, er will nicht mehr steigen und steigen. Also begleitet Oma den Knirps
auf dem Weg zurück, während ich die zweite Waldetappe starte, noch weiter aufwärts. Bald wächst ein Buchenwald am
Hang und zwischen den Stämmen windet sich mein Wanderpfad extrem steil auf einem Laubteppich in die Höhe. In den
nächsten fünf Minuten schnaufe und quäle ich mich da hinauf und lande schließlich, mit zitternden Beinen, am Rande
einer Waldwiese mit herrlicher Aussicht in die Ebene auf der anderen Seite des Berges. Wow, das hat sich schon mal
gelohnt!
Doch noch bin ich nicht auf dem Gipfel. Der Pfad führt noch etliche Meter weiter durch Gestrüpp und durch Wald, ehe
endlich ein Gebäude sichtbar wird. Zwischen den Bäumen ragt ein Telespargel weit über die Wipfel in den Himmel; der
Mast vom Sender Goslar. Gleich dahinter entdecke ich auch mein Wanderziel, Sudmerberger Warte, Stempelstelle 108.
Ein gemauerter Turm, wie der von Rapunzel, hat hier einen Platz gefunden. Im 15. Jahrhundert als Teil einer äußeren
Stadtbefestigung errichtet, wacht er hier, damals noch als hölzernes Bauwerk, zum Wohle der Stadt. Aus 354 Metern
kann man von hier auch heute noch weit über das Land und die Berge schauen.
Zu meinen Füßen breitet sich das Häusermeer von Goslar, eingerahmt von viel Grün und Wald, aus. Zur Linken die
Ausläufer vom Harz mit dem Rammels- und dem Steinberg und zur Rechten der weite Blick über die Stadt hinaus in die
Ebene. Hinter mir versperren inzwischen Baumkronen die Sicht über Bad Harzburg bis zum Brocken. Vielleicht hätten
wir eher hierher umziehen sollen? Ich genieße diesen herrlichen Panoramablick noch eine Weile, lasse mir frischen
Herbstwind um die Ohren wehen, suche nach Details, die mir inzwischen gut bekannt sind. Es ist immer wieder schön,
solche Orte zu erleben und dabei noch ein wenig mehr über Land, Leute und Geschichte zu erfahren. Ich bin ein
glücklicher Rock-Rentner und Harzschlenderer. Anderslautende Gerüchte sind frei erfunden, von Neid genährt.
Wieder unten findet der Stempel seinen Platz im Wanderheft und der schmale Pfad lockt mich zurück. Erst jetzt merke
ich, wie steil der Aufstieg im Wald tatsächlich war. Vorsichtig, an Ästen fest haltend und mit dem Wanderstab Halt
suchend, taste ich mich in kleinen Schritten auf schmierigem Laubboden den Hang abwärts. Das dauert einige Minuten
und ist zudem anstrengender als aufsteigen. Endlich ist der Waldweg erreicht, auf dem ich gerade zwei Reiter durch das
Herbstlaub erblicken kann. Nach gut neunzig Minuten ist der Spielplatz wieder erreicht und Enkelchen froh, mich wieder
zu sehen. Mit einer Tasse Kaffee klingt die Enkelbetreuung aus, obwohl – eigentlich war ich fast die ganze Zeit allein auf
der Pirsch zum Stempel. Enkelbetreuung hatte derweil die Oma übernommen.